Heinz-Dieter Gerstenköper der "Warsteiner"

Kaserne III

Meine Kameraden


MEINE  ELTERN  KOMMEN MICH  BESUCHEN  UND  WIE  ERWARTET,  KONNTEN  SICH  UNSERE  AUSBILDER  WIEDER  EINMAL  NICHT  BENEHMEN !

Freitag der 27. Oktober 1961 


Wenn ich an die Grundausbildung zurückdenke, erinnere ich mich ganz besonders daran, dass ich ständig ein übervolles Speisefach hatte. Ich war nach dem Krieg der erste, der aus unsere gesamten Sippschaft wieder zum Militär eingezogen wurde. Deutschland schien aus den beiden vorausgegangenen Kriegen nichts gelernt zu haben. Die deutschen Politiker drängten mit aller Macht auf die Wiederbewaffnung des deutschen Volkes. So ist es nur zu verständlich, dass es in den Köpfen der Allgemeinheit keinen Unterschied gab zwischen Nazi-Wehrmacht mit all ihren Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der neuen Wehrmacht, die man nun Bundeswehr nannte. Meine Mutter, die meiner Schwester Moni und mir mindestens einmal während des Krieges unser Leben gerettet hat, als sie bei einem Bombenangriff, mit uns unter den Armen durch ein geschlossenes Fenster ins Freie sprang. Von dem Haus fehlte das halbe Dach und Steinbrocken lagen im Wohnzimmer auf dem Fußboden und den Möbeln verstreut. Sie waren überzeugt, dass es uns beim Kommis genau so schlecht ging wie unseren Väter in der Reichswehr.


Heute ist mein 20. Geburtstag


und ich hatte mich nicht lumpen lassen. Freitag 27.Oktober 1961 Die Männer aus unserer Gruppe (Stube 216 und 217) befanden sich zum Zapfenstreich bereits im Vollrausch. Es gab für alle genug zu essen und zu trinken. Oma Amalie aus Castrop-Rauxel hatte mal wieder in 3 Tagen 4 Pakete für meine Geburtstagsfeier geschickt. Für Walter Kroschinski hatte ich eine eigene Schnapsflasche 42% (Schulte-Rauxel) bestellt und für die anderen Jungs war genügend Bergmannsbier nebst Konserven und Würstchen aller Art reichlich vorhanden und außerdem lagen noch in jedem Paket je ein Paar selbst gestrickter Socken. Mein Vater hatte noch acht Geschwister und ich war der erste, der wieder Soldat werden mußte. Alle machten sich große Sorgen um meine Gesundheit und sie wussten, das Soldaten immer Hunger und Durst hatten. Ganz große Sorgen machte sich auch meine Tante Anna aus Lippstadt, sie stand mit ihrer Fürsorge Oma Amalie nichts nach. Ich glaube, sie hatten nicht so richtig gemerkt, dass wir nur Krieg spielten. Jeden Morgen fand die s.g. Befehlsausgabe statt. Zu diesem Zweck mußten die Kompanie auf dem Vorplatz in Hufeisenform antreten. Ich stand immer genau mittig in direkter Front zu den Hauptakteuren, den Unteroffizieren. Nach dem allgemeinen bla bla..., fand die Postausgabe statt. Wer einen Brief, Postkarte oder ein Päckchen bekommen hatte, wurde vom Spieß aufgerufen und mußte dann im Laufschritt zu den feixenden Unteroffizieren und sich sein Zeugs abholen. Von Postgeheimnis hatten die noch nie etwas gehört: "Na Gerstenköper, Ulla ne neue Freundin, die Holländerin schreibt wohl nicht mehr?" brüllte er in der Gegend herum und war der Meinung einen tollen Witz gerissen zu haben. Er hatte noch nicht gemerkt, dass ich Geburtstag hatte. Ich bekam vierzehn Glückwunschkarten und "Fresspakete und für jedes Teil wurde ich separat aufgerufen und mußte rennen. "Hier schreibt noch die Bärbel, man muß du einen Druck auf der Leitung haben!" brüllte Heinrichs. Jetzt schaltete sich der Spieß ein und ermahnte Heinrichs er solle nicht den "Verkehr" aufhalten uns es gäbe noch so etwas wie ein Briefgeheimnis.


Es wurde noch ein schöner Tag, obwohl einen hundsmiserabel Vormittag hatten. Schon nach dem Aufstehen hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas außergewöhnliche in der Luft lag.


Die Offiziere taten sehr geheimnisvoll als ob morgen Weihnachten wäre. Heute wurden schon zweimal unsere Ausrüstungsutensilien geprüft aber nicht nach der üblichen Art und Weise mit viel Gebrüll, eher so wie zuhause am Vorabend, bevor wir in Urlaub gefahren sind. "Ist bei euch alles ok? Habt ihr eure Sachen alle griffbereit? Uns schwante Schlimmes, sollte es evtl. eine Nachtübung geben? Im Offizierskasino war die ganze Nacht ein Kommen und Gehen. Zeppenfeld kam vorbei. Er war immer da, wenn jemand Geburtstag hatte, um möglichst viel abzubekommen. Bei uns in Warstein nannten wir die Typen: "Lauschepper"


Ich fragte Zeppenfeld: "Zeppi, was ist heute eigentlich los, die Offiziere und die Kapos benehmen sich heute so seltsam? Sonst können sie freitags nicht früh genug die Kurve kriegen?" Zeppenfeld machte ein Gesicht, wie jemand der beim Klauen erwischt wurde. "Ich weiß von nichts, garnichts und von mir erfahrt ihr auch nichts!" sagte er. Ich dachte, der Kerl tut nicht nur so, der ist wirklich nicht der Hellste unter der Sonne. Das fühlte ein Blinder mit dem Krückstock, das er log. Ich sagte ihm, dass er




Auch meine Oma Amalie aus Castrop war sicher, dass es beim Militär nicht genug zu essen gibt und meine Tante Anna aus Lippstadt empfand ebenso. Beim Antreten und der Postausgabe hatte ich neben den vielen Briefen, beinahe genauso viele Esspakete. Wenn wir durch waren, mussten mir die Stubenkameraden beim Tragen helfen. Mein Speisefach platze aus allen Nähten. Der Inhalt des Sturmgepäcks bestand im Wesentlichen aus Dosen mit Fisch, Fleisch und Würstchen, aber es wurden auch selbstgestrickte warme Socken geschickt. Zum Geburtstag gab es noch Zusatzrationen, wie Plätzchen und Kuchen. Meine Kameraden der Stube 217 bekamen lediglich mal eine Karte oder einen Brief. Auf meinem Geburtstag war ein kleiner Marsch von Hemer nach Menden und zurück angesagt, mit viel Gesang und guter Laune. Mein Gepäck bestand aus einem prall gefüllten Sturmgepäck. In der Hosentasche hatte ich einen Dosen- und einen Flaschenöffner und mehrere Löffel und Gabeln. Die Jungs der 5. Gruppe bedienten sich ohne, dass ein Ausbilder etwas gemerkt hat. Ab und zu bekam ich auch mal ein Bockwürstchen oder eine Frikadelle ab.


Auf dem Rückweg wurde das Lied „Auf der Heide wächst ein Blümelein“ angestimmt. Obwohl ich gerne Musik hörte und meine Mutter und meine Oma im Chor gesungen haben, war selber singen nicht mein Ding. Ich hätte sehr gerne eine gute Singstimme gehabt, aber es sollte nicht sein. Also bewegte ich einfach nur den Mund und sparte auf diese Weise auch noch Energie. Das ging nur ein einziges Mal schief. Während unser Kamerad Bernhard Homberg mit seiner gewaltigen Stimme die gesamte Kompanie übertönte, markierte ich nur und hatte den Ton aus meinem Beitrag rausgenommen. Da ich mit Begeisterung mit der Mimik meines tonlosen Playback beschäftigt war, merkte ich erst zu spät, dass sich zu meiner Linken das Ohr eines Hauptfeldwebels ganz langsam in mein Gesichtsfeld schob. Und dann erkannte ich den Spielverderber, den Spieß Schueler. Reflexartig sang ich „Auf der Heide...“ aber da war die Kompanie schon bei „...und das heißt Erika“ und dann kam, was kommen mussten, Gebrüll: „Da ist der Kerl zu faul zum Singen und macht nur den Mund auf und zu!“ Ich brüllte so laut ich konnte zurück: „Ich hatte mich verschluckt und wollte mit meinem Gesang nicht stören Herr Oberfeld!“ Und dann legte ich los. So laut und so schräg ich nur konnte stimmte ich ein, aber absichtlich nicht synchron: „Auf der Heide blüht ein Blümelein“ Schueler verzog die Miene befahl lauthals: „Mensch halten Sie bloß ihre Klappe, da bekommen ja die Mäuse Junge!“


Anlässlich meines Geburtstages hatten sich für Sonntag meine Eltern angekündigt. Unteroffizier Hartmann musste sie vom Tor abholen und bis zu unserer Stube begleiten. Wie üblich, wurde dazu die Ausgehuniform mit weißem Hemd getragen. Meiner Mutter, eine ordentliche und saubere Frau, viel sofort auf, dass Hartmann sein Hemd sehr lange nicht gewaschen hatte. Der Hemdkragen war in Hals- und Nackenbereich derart schmutzig, dass sie sich gewundert hat, dass diese Typen unsere Ausbilder und unsere Vorbilder sein sollten. Außerdem war die Hose wohl in 1961 nicht einmal gebügelt worden. 


Hartmann „übergab“ mir meine Eltern und erklärte, dass die Besuchszeit um 16:00 Uhr endet und er meine Eltern abholt, um sie bis zum Kasernentor zu begleiten. Zunächst machten wir in unserer Stube ein Kaffeekränzchen. Alles was dafür erforderlich war, hatten meine Eltern mitgebracht. Mein Vater wollte sich natürlich ein Bild machen und vergleichen, ob es hier genauso hart zugeht wie zu seiner Militärzeit. Er kam schon mit einer vorgefassten Meinung an, nämlich, dass es bei der Wehrmacht einen viel härteren Drill gab als bei uns, und dass wir doch ein schönes Leben führen. Eigentlich wollte ich meiner Mutter zur Liebe meine geschundenen Arme und Beine nicht zeigen, aber letztlich zog ich doch meine Hemdsärmel hoch und zeigte die aufgescheuerten und blutverkrusteten Ellbogen und Unterarme. Mutter schlug sich die Hände vor den Mund und weinte. Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte sich den Hartmann vorgenommen. Meine Mutter ertrug es nicht, wenn andere Erwachsene mir gerechtfertigt oder ungerechtfertigt etwas antaten. Von meinem Klassenlehrer bekam ich einmal eine derart kräftige Ohrfeige, dass ich es zuhause nicht verbergen konnte. Am Tag drauf wurde während eines Diktats die Klassentür aufgerissen und meine Mutter stürzte herein, packte den Lehrer an den Kragen und mit voller Wucht haute sie ihm ihre Handtasche um die Ohren: „Sie schlagen meinen Sohn nicht!“ Egal, was ich in der Schule anstellte, Ohrfeigen bekam ich nicht mehr. Das hätte Hartmann wissen müssen! Neben den vielen essbaren Geschenken hatten sie mir ein elektrisches Bügeleisen mitgebracht. Ich glaube, in der gesamten Kompanie gab es kein zweites. Nachdem wir noch einen kleinen Rundgang durch die Kaserne gemacht haben, war es auch schon Zeit, Abschied zu nehmen. Hartmann war pünktlich und hat über irgendetwas gemeckert und damit meine Mutter gereizt. Ich sehe sie noch heute vor dem kleineren Hartmann stehen und ihr Donnerwetter prasselte auf ihn nieder. „Bevor Sie die Jungs hier quälen, sollten sie sich erst einmal anständig anziehen und ihr dreckiges Hemd waschen und ihre Hose bügeln.“ Ich hatte meine Mutter noch nie so erlebt und sie war kaum zu beruhigen: „Sie wollen Vorbild sein, schauen Sie mal in den Spiegel. Pfui, schämen sie sich!“ Eigentlich ist er noch einmal gut davongekommen.


Nachdem Sie weg waren, ist mir Hartmann über den Weg gelaufen und ich hatte erwartet, dass er sich entsprechend äußert. In den verbleibenden Wochen hat er nie wieder mit mir gesprochen und ich meine, er ist mir sogar absichtlich aus dem Weg gegangen. So, nun war ich Besitzer eines elektrischen Bügeleisens und die Stube 217 hatte die schärfsten Kniffe in der Hose. Irgendwann viel das Heinrichs auf und er wollte wissen, wer das Bügeleisen besitzt. So kam er dann auch eines Tages an und warf mir drei seiner Hosen auf den Tisch: „Bis morgen bügeln!“ Ich habe dann selbst über mich gestaunt als ich zur Antwort gab: „Ich glaube es hackt, mit Sicherheit werde ich für niemanden hier die Hosen bügeln."

Hosen bügeln!“ Heinrichs schluckte  nahm seine Hosen wieder auf den Arm mit den Worten: „Wir sprechen uns noch!“ Er hat Wort gehalten, am nächsten fragte er mich, so als sei nichts vorgefallen: „Leihen Sie mir es wenigsten einmal ihr Bügeleisen?“ Das habe ich ihm dann hin und wieder geliehen. Hilfsausbilder Fritz hat dann Heinrichs Hosen gebügelt und seine eigenen mit. In dieser Zeit verschonte mich Heinrichs mit seinen willkürlichen Attacken. 

Am nächsten Tag stand für die Kompanie ‘Schießen‘ auf dem Dienstplan. Aus meinem Fenster sah ich zu, wie die armen Jungs mit Tischen und Stühlen beladen zum Schießplatz marschierten. Eine halbe Stunde später kam Zeppenfeld. Er hatte einen DKW Geländewagen besorgt und wir fuhren nach Menden. Auf dem Weg dahin erzählte er mir, dass er in einem Briloner Orchester das Waldhorn bläst und das schien sein Lieblingsthema zu sein. Er redete und redete davon und stellte sich als besonderes musikalisches Talent dar. Ich versuchte, ihn von dem nervigen Thema abzubringen, aber auf die gutmütige Art klappte das nicht. Obwohl ich bis heute ein großer Musikliebhaber bin, musste ich meine Leidenschaft verleugnen und ihm vorflunkern, dass ich mich ganz und gar nicht für Musik interessierte und total unmusikalisch bin, dass mich Musik unheimlich nervt. Etwas verschnupft hielt er für den Rest der Fahrt seine Klappe.

 

Was ein Leben. Für drei Wochen war ich beinahe unantastbar und verbrachte eine wunderbare Zeit mit meiner Lieblingsbeschäftigung, der Zeichnerei. Aber ich machte mir auch Gedanken über die Zeit danach. Draußen wurde es immer kälter und Schnee lag in der Luft. Ich fand ein Leben ohne Geländeübungen sehr angenehm. Was ist, wenn ich mit der Zeichnerei fertig bin. Käme ich mit dem einfachen Leben mit Entbehrung und Matsch noch zurecht? Ich müsste mich am Ende wieder von dem Vollpfosten ohne Portepee rumschupsen lassen. Für denjenigen, der einmal aus dieser Tretmühle entronnen war, ist der Gedanke daran sehr belastend. Noch einmal alles wieder auf Anfang? Schrecklich! Zunächst aber war die Welt noch in Ordnung. Der Kompaniechef besuchte mich täglich pünktlich um 14:00 Uhr im Dachgeschoss in meinem `Atelier.` Er war sehr zufrieden mit dem was er sah. „Sie müssen auch noch Rahmen besorgen!“ Die hängen sie mir dann, wenn sie fertig sind mit ihrer Arbeit, bei mir im Büro auf.“ Nach zwei Wochen hätte ich schon fertig sein können, aber das würde ja bedeuten, dass ich mich mit meiner Zeitkalkulation verschätzt hätte. 

 

Die Fahrt nach Menden musste sorgfältig durchgeplant werden. Wann fahren, wann ankommen, wie lange dauert der Termin, wann treten wir die Rückfahrt an? Inzwischen hatte man mir auch ein Telefon in mein Büro gelegt und ich rief den Fliegenfänger Zeppenfeld an und sagte ihm: „Zeppenfeld, pass auf, der Kompaniechef hat befohlen, dass du mich nach Menden fährst, um Bilderrahmen zu kaufen. Besorge eine Auto und Geld oder eine Bescheinigung, dass die Bundeswehr die Rahmen bezahlt. Gibt es da ein entsprechendes Geschäft?“ Zeppenfeld spontan: „Bockelmann“ „Gut, dann bis morgen um halb drei, bis wir da ankommen ist der Laden geöffnet. Sei pünktlich.“ 

 

Zeppenfeld war pünktlich und ich suchte drei Sorten der Rahmen aus, von denen ich wusste, dass sie dem Kompaniechef nicht gefallen werden. So war es dann auch, und den Tag drauf fuhren wir wieder los. „Warum nicht gleich so!?“ rief Baumann. Mit dem Einrahmen lies ich mir Zeit, weil meine 3 Wochen noch nicht ganz um waren. 

 

Als wir zurück waren in der Kaserne, sah Heinrichs uns ankommen und steuerte direkt auf mich zu. „Na, Warsteiner, lässt dich ja rumkutschieren wie ein General, aber du weißt ja, die Zeit ist bald um, dann gehst du wieder mit mir ins Gelände. Das ist gut für die Durchblutung und verleiht dem Arsch eine rosige Gesichtsfarbe!“ Ja, so war Heinrichs. Meine Antwort: 

 

„Herr Stabsunteroffizier, ich freue mich schon sehr darauf!“

 

Ich war einen Tag in meinem „Künstleratelier“ als Zeppenfeld mich besuchte. “Du sollst sofort zum Kompaniechef kommen!“ Der Hauptmann machte ein Gesichtsausdruck, aus dem ich alles entnehmen konnte, nur nichts Gutes. Er begrüßte mich mit: „Na, mein Lieber, wie geht es?“ So hatte er mich noch nie angesprochen. „Habe gerade einen Anruf bekommen, sie sollen ab nächster Woche in Unna beim Stab mit der Fahrschule beginnen, weil man vorgesehen hat, dass du als Ersatzfahrer vom Ersatzfahrern für General Manthey fungieren sollst. Da werden nur Soldaten genommen, die schon Fahrpraxis haben und sie haben ja schon mit 18 Jahren den Führerschein Klasse drei gemacht." "Mit den Bildern sind sie ja dann fertig und dafür herzlichen Dank, das haben sie gut gemacht. Aber ich habe noch ein weiteres Anliegen, ich brauche noch einen etwa zwei Meter großen NATO Stern an der Wand hinter meinem Schreibtisch. Heute habe ich mit Hauptmann Schulze in Unna telefoniert, er ist der Div. Top. der Siebten."  (Divisions-Topograf der 7. Panzergrenadierdivision und spätere 7. Panzerdivision) "Er ist auf ihren Besuch vorbereitet. Von dem können sie alles an Gestaltungsmaterial bekommen was sie brauchen."


Nachdem die Tür des Geschäftszimmer hinter mir ins Schloss fiel, blieb ich für einen Augenblick regungslos stehen. Ich war überwältigt von meinem Glück und mußte erst einmal die Unterredung verdauen. Ich hörte mich ungläubig sagen: "Das gibt es doch nicht!" Von soviel Glück beseelt, machte ich mich mich mit schnellen Schritten auf den Weg zum meinem Atelier. Auf dem Flur kam mir Heinrichs entgegen und faxte hämisch herum: "Na, den Arsch voll gekriegt?" Ich sagte: "Nee." und ging weiter. Irgendwie hatte ich Heinrichs garnicht wahrgenommen. Erst als er hinter mir her schrie: "Wie heißt das, Herr Oberkanonier?" Ich drehte mich um, baute Männchen und sagte: "Jawohl Herr Stabsunteroffizier!" Drehte mich wieder um und schwebte auf meiner Wolke sieben weiter in Richtung Obergeschoss. Dort schmiß ich mich auf mein Bett und starrte die Decke an. Der Fahrschullehrgang dauert sechs Wochen, also die halbe Grundausbildung! Heute würde man sagen "Geil!" ich fand es "Toll!" Ich war ein Glückspilz. Sozusagen, das vorzeitige Ende der Grundausbildung. Aber der Rest konnte auch noch "heiter" werden. Mal sehen, ob ich da noch etwas dran drehen kann. Ich fühlte mich als Glückspilz.  So neigte sich die Zeit der Grundausbildung dem Ende zu. Ohne Wehmut packten wir unsere Utensilien zusammen und bestiegen die Ladeflächen der LKW vom Versorgungsbataillon 7, die uns nach Unna fuhren, einer besseren Zukunft entgegen.


BLICK  IN DIE ZUKUNFT:

Ich hatte die Fahrschule schon während der Grundausbildung und sollte der Ersatzfahrer des Ersatzfahrers für den General werden. Die Fahrer des Generals wurden während meiner Zeit in Unna leider nie krank, so dass sich die Ersatzfahrerei auf vier Touren beschränkte. Bei einer Parade in Augustdorf sollte der General stehend im „Munga“ an einer Parade vor dem Verteidigungsminister Strauß teilnehmen. Wir fuhren einen Vormittag im Kasernengelände hin und her und Willy Manthey grüßte stehend jeden Baum, an dem wir vorbeikamen. Nach der ersten Runde fragte er mich: „Wie ich heißt du eigentlich?“ Ich sagte ihm meinen Namen und nach der zweiten Runde sagte er zu mir: „Du machst das gut, wie heißt du noch mal? Nach 5 Runden hatte er genug und weil er nach jeder Runde gefragt hat wie ich heiße, wusste er nun auch meinen Namen. ◀ 


So gingen die letzten Tage in Hemer dahin und der Moment rückte näher, an dem jeder zu seiner Stammeinheiten mussten. Meine Fahrschulzeit in Unna habe ich logischerweise auch dazu genutzt, mir den Laden in dem ich die nächsten neun Monate verbringen muß, einmal gründlich anzusehen und mir vor allen Dingen Abteilung auszugucken, die meinen Intentionen entsprach. Es sollte irgendetwas, mit einem meiner erlernten Berufe zu tun haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine Lehre als Schlosser und als Technischer Zeichner erfolgreich abgeschlossen. Das sollte die Grundlage für mein späteres Ingenieurstudium sein. Der Stab in Unna verwaltete 20.000 Soldaten der 7. Division. Also sollte es da doch möglich sein, etwas passendes für mich zu finden. Ich war guter Dingen. Was aus meinen Wünschen und Vorstellungen wurde, dazu später.


Im Auftrag von meines Kompaniechefs Hauptmann Baumann in Hemer, sollte ich wegen einer Rolle Malkarton und diverser Plakatfarben bei einem Hauptmann Schulze des DivTop des Divisions-Topografen vorstellig werden. Hauptfeldwebel Dublaski beschrieb mir den Weg zum Div.Top. Da ich niemals im Leben vor den s.g. Respektspersonen besondere Ehrfurcht entgegenbrachte, schlenderte ich in lockerer Haltung zum Stabsgebäude, beide Hände in den Taschen und schon passierte es.


Ein alter Stabsfeldwebel mit sehr vielen Orden und einem Edelweiß an der Mütze, also ein Gebirgsjäger aus Bayern kreuzte meinen Weg. Er fragte mich: "San Sie no gsund?" Ich wollte gerade bejahen, da legte er los, mit einer Stimme wie Donnerhall in den bayrischen Bergen: "Jo, do leck mi doch oana am Oasch! Laffd da Kerl herum, ois ob ea auf am Stachus spaziern gäd! San sie bläd?" Für alles Andere, was er dann von sich gab, war ich nicht mehr aufnahmefähig. Nie zu vor bin ich in der Dienstzeit derartig zusammengeschissen worden wie von diesem Bayer. Ich bevorzugte jetzt stramme Haltung, um ihn etwas zu besänftigen und milder zu stimmen. Als er fertig war, sagte er noch in einer völligen anderen Tonlage, beinahe väterlich: "Sie soidn moi zum Frisör gengan!"  Ein Auto fuhr vor, er stieg ein und weg war er. Es kam mir vor, als hätte ich noch eine Stunde in strammer Haltung da gestanden. Ein Gefreiter lief an mir vorbei und fragte: "Iss was?" So langsam fand ich zurück ins normale Leben. Das Auto mit dem Stabsfeldwebel fuhr durchs Haupttor auf die Iserlohner Straße und weg war er. Ich dachte darüber nach, ob ich meine Einstellung zu Respektspersonen noch einmal gründlich überdenken sollte. 

 

Im Stabsgebäude grüßte ich für heute erst einmal jeden, der nach einem Vorgesetzten aussah. Aber es liefen auch sehr viele Zivilangestellte mit Akten unter den Armen herum oder standen in Grüppchen auf den Fluren herum und unterhielten sich über dienstliche sowie private Themen. Das gefiel mir: "Wie bei den Warsteiner-Eisenwerken, meinem Brötchengeber." Ich verspürten schon so etwas wie ein anheimelndes Gefühl. Hier werde ich es aushalten können, sind ja nur noch neun Monate. Bei einem Gemisch von Zivilisten und Soldaten, kann es nicht so schlimm werden wie in Hemer.


Meine erste Fahrschulfahrt mit dem Borgward B2000 von Hemer nach Unna

Borgward B2000 mit diesem Monstrum holte Stuffz Bachmann mich am ersten Tag meiner Fahrschule von Hemer ab. Günther Eickmann sah das Auto vorfahren und murmelte: "Ich glaube die Russen kommen."


Nach dieser ersten Ausfahrt, bekam ich den "Bomber" noch einmal zugeteilt, als wir auf dem Truppenübungsplatz Handorf bei Münster für Nachtfahrten im Kriegsfall ausgebildet wurden. Kriegsbeleuchtung war so gut wie eine Kerze am Weihnachtsbaum, also eigentlich nichts. Außerdem herrschte auf dem gesamten Gelände Gasalarm, also fuhren wir die ganze Nacht orientierungslos unter Gasmaske in der Gegend herum. Die Fahrlehrer wussten wo der Feind lauerte. Mal links rum, mal rechts rum und immer kurz vor dem Umkippen ohne Licht in der Gegend herum. Man, hat das Spaß gemacht! 😡


Hauptmann Böhmke, auch bekannt unter dem Namen "Bollerkopp", war Leiter der Abteilung, die für die Vergabe der Bundeswehrführerscheine zuständig war. Wenn man ihm zuhörten, wie er seine Arbeit beschrieb, neigte man zu der Annahme, der Laden gehöre komplett ihm persönlich. Er besprach nichts, er befahl immer. Wenn seine Vorgesetzten mit ihm sprachen, war er klein wie eine Laus, die immer Angst hatte zertreten zu werden. Wenn einer seiner Untergebenen es sich mit ihm einmal verdorben hatten, verzieh er ihm niemals. Mein Freund Günther Mertens diente in seiner Abteilung und stellte alle Führerscheine unterschriftsreif aus. Aufgrund einer Lappalie äußerte Bollerkopp: "Sie bekommen von mir niemals einen Führerschein." Er hielt sein Wort!

Mein Fahrlehrer Feldwebel Bachmann in der Stabskompanie der 7. Division

Feldwebel Bachmann, er wurde noch im Dezember 1961, kurz vor Weihnachten zum Feldwebel befördert. Seitdem wirkte er völlig entspannt. Er hatte mich als Fahrschüler auserkoren, weil er mit die wenigsten Probleme hatte. Mit 12 Jahren bekam ich von meinem Vater einen ausgemusterten 1,0 ton Pritschenwagen, der verschrottet werden sollte. Ich konnte die Werkswerkstatt nutzen und mit Unterstützung der LKW-Fahrer der Hütte, hauchten wir dem Ur-Oldtimer wieder Leben ein. Am Wochenende, wen die Werkstoren verschlossen waren, donnerte ich mit dem Eintonner auf dem Firmengeländer herum. Es kam dann noch ein Militärmotorrad dazu. Ein CZ 250 ccm, Einzylinder, die ich im Oberhagen gefunden hatte. Ich nannte sie: "Meine Küppersbusch." und ein Bischhof-Trecker aus Bochum.


Als ich meine erste Fahrstunde für meinen Führerschein hatte, sagte der Fahrlehrer Tschöpe zu mir: "Fahr mal los du alter Schwarzfahrer." Er hatte gesehen, wie ich mir Innen- und Außenspiegel zurecht rückte und prüfte ob die Gangschaltung im Leerlauf stand. Es wurden inkl. Prüfung  drei Fahrstunden daraus und der Spaß kostete 148,00 DM . Klar, das Bachmann mit mir die Tage mit ohne Stress rumbringen würde. Das Foto entstand in Unna vor den großen Garagen für unsere Motorfahrzeuge. LKW bis 27 ton und eine Unzahl an DKW 0,25 to F91 "Geländewagen" 2-Takt aber auch die Motorräder für unser Kradmelder. Im Laufe meiner Zeit in Unna, hatte ich es fertig gebracht, drei Motoren des DKW zu "schrotten", weil die Autos total untermotorisiert waren und ich meist den Motor bis zum Anschlag ausreizte. Untauglich für den Ernstfall.   

Der DivTop beim Stab der 7. Division Stabskompanie in Unna Hauptmann Schulze

"Hauptmann Schulze, der schönste Hauptmann der Division" wurde von seinen Offizierskameraden genannt. Am meisten fand ich Gefallen an der Topografischen Abteilung des Haupt-manns. Er selbst war ein ruhiger und seriöser Mensch, obwohl er Uniform trug, benahm er sich wie ein höflicher Zivilist. Außerdem sah er mit seinen grau melierten welligen Haaren und der Hauptmanns-uniform blendend aus. Er befahl nicht, sondern versuchte, seinen Willen den Untergebenen so nahe zu bringen, dass jeder in dem Moment dachte: "Genau dass wollte ich auch gerade tun und nichts anderes."  Das sich später ein beinahe freundschaftliches Verhältnis zwischen uns beiden entwickeln würde, ahnten wir beide zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auch nicht, dass wir für Tage und Wochen gemeinsam unterwegs sein werden um in Zusammenarbeit mit den Landes-vermessungsämtern deutschlandweit die Triangu-lationspunkte (TP-Punkte) zu kontrollieren, ob sie noch dort standen, wo sie laut Eintragung in den Karten stehen mussten. Hauptmann Schulze war ein echter Berliner und hatte sich erst vor 2 Jahren mit einer sehr jungen Frau verheiratet. Sie hatten ein Kind, dass gerade erst ein Jahr alt war. Bevor wir auf Tour gingen, gab es bei Schulzes in der Privatwohnung ein zum Abschied ein gemütliches Kaffee trinken. Außerdem erfuhr ich, dass sein Vater ein sehr großes Taxi Unternehmen hatte.


Am gleichen Tag lernte ich noch meinen späteren Büroleiter, Oberfeldwebel Jochen Orlich kennen. Das war ein Original, er wußte alles besser, scheiterte aber beinahe immer an der Tücke des Objektes. Er stellte alles zusammen, was ich brauchte.

Hauptfeldwebel *1923 - ✝︎ 2018 Lothar Dublaski, die "Mutter der Kompanie" der Stabskompanie

Lothar Dublaski, er war stolz darauf, ein Ostpreuße zu sein. Manche mochten ihn, manche mochten ihn nicht. Ich kam sehr gut mit ihm klar. Seine Art, wie er mit uns umging gefiel mir. Zu unserer Zeit war er gerade einmal 39 Jahre alt. Da ich mütterlicherseits, also zur Hälfte auch Ostpreuße war, lag mir seine Art wie er mit uns umging. Betrachtet man beide Seiten, so hatte Dublaski seinen Beruf freiwillig gewählt und seine Aufgabe war es, aus Zivilisten Soldaten zu machen. Daran wurde der Erfolg seiner militärischen Laufbahn gemessen. Je nach unserem Verhalten, konnte er die Zügel schleifen lassen oder stramm anziehen.


Wir dagegen, zumindest die Mehrheit, wurden gegen unseren Willen aus dem Beruf oder dem Studium gerissen. Mit einem entsprechenden Zorn kamen wir in unserer Einheit an. Hemer und Unna, zwei Welten prallten für mich aufeinander. In Hemer galt absoluter Gehorsam. Nur eine falsche Bewegung oder eine unangebrachte Bemerkung zog oft die Sperre des Wochenendurlaubs nach sich. Beim Stab war das Antreten schon ein echtes Kuddelmuddel, beinahe jeder dritte Soldat erschien mit einer anderen Zusammenstellung der Uniform. Beim Raustreten ging es total irre zu. Hier noch ein Pläuschen, da noch eine Frage zu einem Kameraden rüber gerufen: „Wie war es gestern noch bei Wicke?“ Wicke war ein angesagtes Tanzlokal in Unna. Die Kompanie hatte etwa die doppelte Stärke der Ausbildungskompanie in Hemer. Auffällig viele Fußballspieler von Borussia Dortmund gehörten dazu. Hier tickten alle anders. Meinen Kameraden in Hemer erzählte ich davon, aber sie konnten es nicht glauben und hielten meine Erzählungen für Aufschneiderei.


Ich wurde beinahe täglich von Stuffz. Bachmann oder Stuffz. Kasimir aus Hemer abgeholt, um in Unna am Fahrschullehrgang teilzunehmen. Unsere Standardfahrzeuge waren der Borgward B2000 Baujahr 1956. Er hatte einen 6 Zylinder Reihenmotor mit 2,4 Liter und 82 PS. Seine Geländeeigenschaften waren hervorragend. Außerdem der MUNGA der in den 50er von DKW als leichtes, geländegängiges Fahrzeug für die neu gegründete Bundeswehr entwickelt wurde. Er konnte sich gegen gegen Modelle von Borgward und Porsche durchsetzen. Die Serienfertigung des MUNGA als 0,25t für die Bundeswehr begann 1956. Der MUNGA wurde zuerst mit 900 ccm Zweitakt-Motor ausgerüstet, später dann mit 1000 ccm und 44 PS Zweitakter. Bei allen Fahrzeugen konnte der Allradantrieb zugeschaltet werden. Ab Mitte der 70er Jahren dann mit Viertakt-Motoren, meist von Opel oder Ford. Bis zur Einstellung wurden insgesamt 47.000 Fahrzeuge gebaut.


Der Fahrschulbetrieb gehörte zum Stab der 7. Panzergrenadierdivision in Unna. Besser hätte es für mich nicht laufen können täglich wurde ich von meinem Fahrlehrer Stabs-Unteroffizier Bachmann im Borgward Geländewagen von Hemer nach Unna geholt. Für die theoretischen Stunden gab es in der Nähe der Kompanieunterkunft entsprechende Räumlichkeiten. Täg-lich etwa 5 Stunden Unterricht über Verkehrsregeln und die wundersame Technik der Automobile. Nach dem Mittag-essen ging es dann über Land. Ich konnte seit meinem 12. Lebensjahr Motorrad- und Autofahren und hier zahlte sich das aus.


Die meiste Zeit lümmelte sich Bachmann auf seinem Sitz herum. Wenn wir starteten, fragte er mich vorher: „Wo sollen wir mal hinfahren?“ Nachdem ich ihn eine Woche kannte, erlaubte ich mir zu sagen: „Meine Oma besuchen.“ An meiner Mimik ließ ich nicht erkennen, ob ich einen Scherz gemacht habe oder ob es mir ernst war. „Wo wohnt die denn?“ wollte er wissen. „In Castrop-Rauxel“ sagte ich und war mir nicht klar, ob er wirklich mit mir meine Oma besuchen wollte. Als mir klar war, dass es ihm ernst war, sagte ich ihm, dass ich eben anrufen müsste. Meiner Oma, die immer Respekt vor der Obrigkeit hatte, erklärte ich, dass ich mit einem Vorgesetzten vom Militär vorbeikomme. Sie reagierte mit der von mir erwarteten Frage: „Soll ich was kochen?“ und ich „Wenn du das machen würdest Oma!“ Wir fuhren über Bochum zurück Richtung Castrop, Ringstraße 60. Opa war auch gerade von der Zeche Schwerin von der Frühschicht zurück und Oma tischte nach ostpreußischer Art auf. Bachmann, dem eigentlich eine Diät besser gestanden hätte, stopfte in sich rein, als ob er vier Wochen von Wasser und Brot gelebt hätte. Es gab dann noch Kaffee zum Abschied und Oma wollte wissen, was Bachmann für einen Dienstgrad habe. Mit Stabsunteroffizier konnte sie nichts anfangen und fragte nach: „Ist das mehr als ein ostpreußischer Gendarm?“ Ich sagte zur Oma: „Viel höher“ sie war begeistert und Bachmann war auch. Ab sofort gehörte der Besuch bei Oma zu seinen Lieblingszielen. Ich brauchte einen neuen Anzug und fragte Bachmann, ob wir mal beim Herrenhaus Fischer in Dortmund vorbeifahren könnten. Früher war der Westenhellweg komplett befahrbar und ich übte gerade LKW. Wir parkten also breit vor dem Herrenhaus Fischer und ich kaufte mir einen Pepita-Anzug für 98,00 DM.


Ich hatte das Gefühl, dass Bachmann aufgrund dessen, dass sich bei Oma regelmäßig den Wanst voll schlug, mir eine oder mehrere Gefälligkeiten schuldete. Wir wurden ein prima Team. Sagen wir mal so, wir verstanden uns gut.

Ich habe 2 Welten kennengelernt. In Hemer galt nur strikter Gehorsam und einmal husten im Glied, wenn die Kompanie  angetreten war, zog oft die Sperre des Wochenendurlaubs nach sich. Beim Stab war das Antreten schon ein Kuddelmuddel, beinahe jeder hatte eine andere Uniform an und beim Raustreten ging es total gemütlich zu. Hier noch ein Pläuschen, da noch eine Frage zu einem Kameraden rüber gerufen: „Wie war es gestern noch bei Wicke?“ Wicke war ein bekanntes Tanzlokal in Unna. Die Kompanie hatte die doppelte Stärke der Ausbildungskompanie in Hemer. Auffällig viele Fußballspieler von Borussia Dortmund gehörten dazu. Hier tickten alle anders. Meinen Kameraden in Hemer erzählte ich davon, aber sie konnten es nicht glauben und hielten meine Erzählungen für Aufschneiderei.


Der Tag der Prüfung durch Hauptmann Böhmke. Wir waren zu 20 Soldaten auf einem LKW Richtung Dortmund über die B1. Der Prüfling fuhr und die anderen 19 saßen auf Bänken auf der Ladefläche. Bei Aplerbeck stoppte der LKW und der Prüfling kletterte auf die Ladefläche: „Durchgefallen“ murmelte er. „Du sollst jetzt fahren“ sagte er zu mir. Ich beeilte mich, ins Fahrerhaus zu kommen. „Was sehen sie vor sich?“ fragte Böhmke. „Armaturenbrett mit Lenkrad“ „Und sonst?“ Ich fing an, von links nach rechts die Instrumente zu erklären und er sagte nach dem 3. Instrument: „Denn mal los!“ Wir waren an der zweiten Ampel angekommen auf der 3-spurigen Straße, vor der linken Ampel und vor der rechten Ampel standen LKW und nur die Mitte war frei, also die Bahn, auf der ich mich befand und ich fuhr einen 27-Tonner. Wenn das nicht die Prüfung gewesen wäre, hätte ich mich nicht in die Gasse gewagt. Aber in diesem Fall fuhr ich mit dem gleichen Tempo weiter und stoppte vor der Haltelinie. Ich habe das Gefühl bis heute nicht vergessen. Die Arschbacken zusammengekniffen und damit gerechnet, dass es jeden Augenblick ein lautes krachendes Geräusch gibt. Aber es passte. Hoch erhobenen Hauptes saß ich hinter dem Lenkrad, als ob das einer meiner leichtesten Übungen sei. Böhmke: “Man hast du ein Augenmaß, ab nach hinten.“ Ich sah in fragend an und er sagte: „Bestanden!“ Grinste und kniff mir ein Auge zu. Die Fahrt ging weiter und einer nach dem anderen kam auf die Ladefläche zurück: „Durchgefallen“ Das Ende vom Lied. Böhmke es gab nur 6 bestandene Prüfungen. So war Böhmke. Günther Mertens war in der Abteilung und zuständig für die Ausstellungen der Fahrerlaubnisse. Irgendwann hatte er Böhmke derart verärgert, dass Böhmke ihm versprach: „Mertens, sie bekommen von mir in diesem Leben keinen Führerschein!“ Er hat Wort gehalten. Günther machte nach der Entlassung seinen Führerschein in Unna, viel teurer, aber ohne Böhmke.


Mein Freund und Kamerad Günther Mertens sagt zu dem Thema:

28.02.2021 Ich weiß allerdings, dass er sehr bollerig war. 'Warm' wurde ich mit diesem Offizier nicht. Wollte ich auch nicht! Er war aus meiner Sicht unnahbar, doch widerlich, wie viele andere Vorgesetzte, war er nicht. In der Abteilung von Divisions-Ingenieur bei Oberleutnant Kiener war ich u. a. sein Schreiber. Ich musste alle Berichte mit Bild und Schrift von den Feldjägern in ein 'Berichts-Buch' von Hauptmann Böhmke übertragen. Im Übrigen durfte ich alle Bundeswehr-Führerscheine vorbereiten. Ich habe allerdings als Sellerist (dazu komme ich später noch ausführlich) keinen bekommen. Das war seine Strafe. Er hat mir das auch deutlich gemacht. Er war eigentlich nur selten im Büro - da er verantwortlich war für die Fahrschule im Außendienst - so dass ich weit überwiegend alleine in seinem Büro schrieb und daraus auch viel Freizeit abzweigen konnte. Ein Anlass muss ich jedoch sehr positiv erwähnen: Als mich der Stabsarzt mit einem fast durchbrochenen Blinddarm ins Krankenhaus einwies und ich dort sofort operiert wurde, hat mich der Hauptmann Böhmke mit einem Mitbringsel in Uniform besucht. Auf meinem Krankenzimmer lagen auch mehrere ältere Patienten. Sie erlebten meinen Besuch mit dem vielen Silberabzeichen mit. Als Hauptmann Böhmke das Zimmer verlassen hatte, staunten alle Zimmergenossen und waren der Meinung, auch ich sei ein 'hohes Tier'. Ich habe nicht widersprochen. Doch als mich die Selleristen mehrfach besuchten und getönt und erzählt hatten, waren die Zimmergenossen nicht mehr ganz sicher. Ich habe ihnen jedoch nichts erklärt. Ich schied ohne Bundeswehr-Führerscheine aus der Wehrpflicht.


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